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Dimension 2:
Einwanderung und Umwelt

Eine zweite wichtige Kategorie fällt in der Argumentation zugunsten einer Einwanderung in aller Regel unter den Tisch - die ökologischen Konsequenzen.
Verdienstvollerweise hat die erwähnte >>niederländische Studie gerade diesen Aspekt vertieft.
Bedauerlicherweise hat der SPIEGEL (Nr. 31/2003, S. 88) diesen brisanteren Teil in seiner Berichterstattung nicht wiedergegeben. Deswegen dürfte es von besonderem Nutzen sein, diesen Teil dem deutschen Leser hier vorzustellen.

(A)   Zuwanderung hat Bevölkerungsdichte von Westeuropa weiter erhöht - mit negativen ökologischen Folgen

Richtigerweise konzentriert sich die holländische Studie auf die zentrale Kategorie der Bevölkerungsdichte. "Einwanderung erhöht die Bevölkerungsdichte. Dies wirkt sich auf die Nutzung des Bodens aus, da mehr Raum für Wohnen, Beschäftigung, Verkehr usw. verbraucht wird. In Ländern, in denen Boden im Überfluss vorhanden ist, spielt dieser Aspekt vermutlich keine Rolle. Deswegen beschäftigt sich die internationale Einwanderungsliteratur damit auch nicht, da diese sich hauptsächlich auf die traditionellen Einwanderungsländer, wie Australien, Kanada, Neuseeland und die USA konzentriert - alles dünn besiedelte Länder".

 
Tabelle:
Krasse Bevölkerungsdichte in West-Europa
 

Einwohner je km²

Niederlande 472
England 347
Belgien 336
Deutschland 230
   
USA 30
Neuseeland 14
Australien 3
Kanada 3
Methodische Anmerkung: StBA berechnet die BevDichte für NL nach Landfläche;

Quelle: Stat. Bundesamt - Statistisches Jahrbuch 2002                                                  MacroAnalyst

 

Klicken Sie hier die >>Grafik zur Welt-Bevölkerungsdichte

West-Europa gehört  zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Erde. Der gängige abwehrende Hinweis an dieser Stelle, diese Mittelwerte sagten nichts aus, man schaue sich nur einmal die Großregionen Los Angeles, New York u. ä. an, zieht nicht. Selbstverständlich kann man unterhalb des Mittelwertes immer differenzieren; aber bei den genannten vier europäischen Ländern handelt sich um ein Großgebiet mit immerhin 160 Mio. Einwohnern. Da sind Verniedlichungen fehl am Platz.
Die niederländische Studie differenziert hier richtigerweise, es gebe zwar unbewohnbare Landteile, wie Wüsten, Gebirge, Tundras, aber dies seien "less striking differences, though the general pattern is likely to remain the same" (S. 83). Gerade in den Niederlanden konkurriere Urbanisation in zunehmendem Maße mit anderen Interessen, wie z.B. Erholung und Natur. Zusätzliche Einwanderung werde diese Konkurrenz weiter verschärfen.

 
Kasten:
Zum Beispiel Deutschland

 

 

"Täglich 117 Hektar Natur weniger"

"Täglich fallen in Deutschland neuen Siedlungen und Verkehrsflächen  117 Hektar unberührter Natur zum Opfer. Das entspricht etwa 160 Fußballfeldern.
2001 wurden zusammengerechnet 428 Quadratkilometer Fläche neu bebaut. Das entspricht in etwa der Fläche von Köln".
 

Bei den 428 km² hatte MacroAnalyst auf den ersten Blick einen Druckfehler vermutet,
deshalb hier der >>
Link zur Original-Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt
 

Quelle der Originalzitate: FAZ vom 31. Juli 2003
 

Die Wirkungen einer steigenden Bevölkerungsdichte und der damit verbundenen wirtschaftlicher Aktivitäten werden von der NL-Studie so zusammengefasst:
o Verkehrsstaus
o Umweltverschmutzung
o Verlust an freiem Raum, offener Landschaft und Natur.
Umweltverschmutzung durch potentiell gefährliche Substanzen oberhalb einer gewissen Schwelle (critical load) würden der öffentlichen Gesundheit und der Natur empfindlich schaden. Es sei daher durchaus möglich, dass schon relativ kleine zusätzliche Änderungen in der weiteren Verdichtung der Bevölkerung potentiell beträchtliche Auswirkungen auf die physische Umgebung zeitigten.

Verkehrsstaus, Umweltverschmutzung und der Verlust an freiem Raum könnten also die
o Verschwendung knapper Zeit,
o Gesundheitsprobleme und eine
o Minderung der generellen Qualität des Lebens
nach sich ziehen.
Es müsse dann ein steigender Teil des Volkseinkommens aufgewendet werden, diese negativen externen Effekte zu kompensieren; dies sei der Wohlfahrt abträglich. Je stärker die Bevölkerungsdichte ansteige, um so höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass positive Wachstumseffekte durch negative externe Effekte überkompensiert würden.

"Many inhabitants of the Netherlands think that the country is getting more crowded, polluted and monotonous than it used to be. They perceive this to be a decline in their well being and environment" (S. 85).

 

(B) Wird die Bevölkerungsdichte in Deutschland in Zukunft wieder sinken?

In der Vergangenheit hat Zuwanderung auch zur zusätzlichen Verdichtung Deutschlands beigetragen.

>>Grafik zur Entwicklung der Bevölkerungsdichte in Deutschland 1950 - 2000

Wohin wird diese Kennziffer in der Zukunft gesteuert?

Eine erste Antwort lässt sich auch in diesem Fall der Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes entnehmen (10. koordinierte Bev.-Vorausberechnung bis 2050, Juni 2003).
Die Entwicklung der Bevölkerung hängt demzufolge maßgeblich von drei Faktoren ab
o   Geburtenhäufigkeit (Fertilität)
o   Lebenserwartung (Mortalität)
o   Außenwanderung (Zuzüge und Fortzüge)

Die Beeinflussung der Geburtenhäufigkeit und der Lebenserwartung gehören nicht zu den politisch vorrangigen Stellschrauben. Bei der Geburtenziffer wird z. B. davon ausgegangen, dass sie über den gesamten Berechnungszeitraum bis 2050 unverändert bei 1,4 Kinder pro Frau bleibt.

Faktisch rückt deshalb die Einwanderung als einziger Hebel zur Beeinflussung der Bevölkerungsdichte ins Zentrum der Überlegungen. Wie schon im Arbeitsmarktkapitel dargelegt, hat das Statistische Bundesamt drei Annahmen zum Wanderungssaldo gemacht:

(1) Niedrigste Einwanderung, d. h. ein Wanderungsüberschuss von netto 100.000 Personen pro Jahr
(2) Mittlere Einwanderung, d. h. ein Wanderungsüberschuss von netto 200.000 Personen pro Jahr
(3) Höchste Einwanderung, d. h. ein Wanderungsüberschuss von netto 300.000 Personen pro Jahr.

Das Statistische Bundesamt hat insofern eine wertfreie Berechnung präsentiert, als es sich einer Empfehlung der zuzulassenden Einwanderungsströme enthalten hat. Immerhin fällt allerdings auf, dass - bei insgesamt neun durchgerechneten Varianten - die sozusagen natürliche Ausgangsrechnung, nämlich die Variante mit einem Wanderungsüberschuss Null, überhaupt nicht einbezogen worden ist.

Stellt man die Ausgangsfrage einer rationalen Einwanderungspolitik, nämlich wie hoch der Gesamtbedarf ist, dann müssen die Kriterien zur Beurteilung dieser Frage offengelegt werden. Eindimensionale Rechnungen, wie sie von demografisch orientierten Rentenpolitikern gerne angestellt werden, führen - wir haben dies bereits dargelegt - in die Irre.

Dass die Anforderungen des zukünftigen Arbeitsmarktes Ausgangspunkt sein müssen, ist Selbstverständnis jeder makroökonomischen Untersuchung. Ebenfalls in den mehrdimensionalen Zielkatalog gehört auch die Lebensqualität der angestammten Bevölkerung . Ausdrücklich betont sei an dieser Stelle, dass "angestammt" nicht nach "deutsch" und "nicht-deutsch" differenziert werden kann. Zur angestammten Bevölkerung gehören heute nicht nur die 8,9 % bereits ansässigen Ausländer, sondern - ohne dass dies überhaupt statistisch auffällt - alle seit Jahrzehnten eingebürgerten Ausländer, vgl.

>>Grafik der Einbürgerungen.

In diesem Zusammenhang können ökologische Fragen heute aus diesem Politikfeld nicht mehr ausgeklammert werden. Vor allem an der übergeordneten Frage nach der Veränderung des Klimas und ihren Folgen lässt sich die Frage festmachen: Auf welchem Niveau liegt eine nachhaltige Bevölkerungsdichte (Sustainable Population Density)?

Auf der Hand liegt die enge Korrelation, die zwischen Bevölkerungsdichte und ökologischer Qualität besteht. Je höher die Bevölkerungsdichte, um so extensiver die Ausbeutung der Natur. Je höher die Bevölkerungsdichte, um so größer - ceteris paribus - der Energieverbrauch und alle Formen von  Emissionen. Umgekehrt gilt, je niedriger die Bevölkerungsdichte, um so wirkungsvoller lassen sich die natürlichen Ressourcen schonen.

Die weltweite Ausnahmestellung Westeuropas hinsichtlich der Höhe der Bevölkerungsdichte legt nahe, eine weitere Verdichtung nicht zuzulassen. Das gilt analog für die großen Regionen in diesem Gebiet. Die außerordentlich hohe Belastung der Beneluxländer, Englands, Deutschlands stößt an nicht mehr erweiterbare Grenzen.  Ist ein Minimum an vorausschauendem Schutz vor Klimakatastrophen nicht an der Zeit?

Kasten
Beispiel: Exportverbot für Getreide
"Wegen der dürrebedingten Ernteausfälle hat die Europäische Kommission einen Exportstopp für europäisches Getreide verhängt. Eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Berlin sagte dieser Zeitung am Freitag, Brüssel reagiere damit auf mögliche Versorgungsengpässe. Die EU habe ihre Entscheidung damit begründet, daß die Schätzungen über die Ernte wegen der massiven Dürreschäden bereits mehrfach nach unten korrigiert worden seien. Die Sprecherin zitierte den Staatssekretär des Ministeriums, Alexander Müller, mit den Worten: "Niemand im Agrarministerium kann sich daran erinnern, daß es so etwas schon jemals gab".
Quelle: FAZ, 9. August 2003


Gewichtet man das Kriterium der ökologischen Nachhaltigkeit so hoch, wie dies beispielsweise häufig in der Rentendebatte hinsichtlich der Verbindung von Einwanderung und demografischer Entwicklung geschieht, dann ist die Variante 9 in der Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes Tabu. Selbst Variante 5 würde dann noch als nicht ausreichend anzusehen sein. Unter allein ökologischen Kriterien wäre Variante 1 angemessen.

Immerhin, Variante 5 würde den Nachkriegstrend der ständigen weiteren Verdichtung des Landes brechen. Die Bevölkerungsdichte würde dann bis 2050 wieder auf 210 zurückgeführt. Das wäre dann das Niveau, das Mitte der 60er Jahre geherrscht hat.

>>Grafik zur Entwicklung der Bevölkerungsdichte in Deutschland bis 2050

Einwanderung und Ökologie - die enge Verbindung dieser beiden Komplexe ist evident. Das Statistische Bundesamt benennt als Ausgangsfaktoren für die Wanderungsströme neben anderen Kriterien auch "die ökologischen Entwicklungen in den Herkunftsländern".
Ein globales Migrationsmuster nach dem Prinzip der Dreifelderwirtschaft scheint sich abzuzeichnen: Ist ein Land ökologisch ausgelaugt, ziehen die Bewohner weiter.

Welch immenser Druck sich hier aufbaut, legt der jüngste Weltbevölkerungsbericht der Vereinten Nationen erneut offen. In der mittleren Variante werden 8,9 Milliarden Menschen bis 2050 vorausberechnet. Dabei wächst die Bevölkerung gerade in den ärmsten Ländern besonders schnell. In den 49 ärmsten Staaten steigt die Zahl der Menschen von heute 0,7 auf dann 1,7 Milliarden.

 

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