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Konsequenz:
Einwanderungspolitik - Was tun?

 

(A)   Welche Interessen?

Einwanderung ist ein Feld, auf dem in auffälliger Weise Fakten ignoriert werden. Warum werden bei diesem doch für die Wohlfahrt der ansässigen Bevölkerung so entscheidenden Thema so reichlich irreführende Szenarios vorgetragen? Welche Interessen sind im Spiel?

Der niederländischen Studie zufolge können folgende Interessen identifiziert werden:
1. Interessen-Konstellation: "If the immigrants do not find their way into the labour marktet and become dependent on social transfer programs, the taxpayer will lose ...
2. Interessen-Konstellation: "Migrants, in particular those from non-western countries, will be clear winners".
3. Interessen-Konstellation: "Employers are also winners, at least in the short run".

Konstellation 2 und 3 lassen sich so verbinden: "Consequently, the authorities in the NL, like other West-EU countries, are facing continuous pressure from potential immigrants supported by interested parties at home, such as employers, to "open the door to immigrants".
Der Fluchtpunkt für die inländischen Interessenten wäre dann die auf den Punkt gebrachte Einsicht von Milton Friedman - "You cannot simultaneously have free immigration and a welfare state".

Wir wollen diese Interessen-Konstellationen in eine Matrix eintragen und einheitlich nach Gewinnern und Verlierern ordnen. Dazu spalten wir als erstes 3 auf in Feld 3 = "Finanzwirtschaft" und Feld 4 = "Produzierende Wirtschaft". Für Feld 3 gilt das oben gesagte. Je kürzer der Interessenhorizont, um so eher können alle negativen Folgen dieser Strategie negiert werden. Konsequenterweise kann dies dann aber kaum Gültigkeit für Feld 4 haben; denn: der Erfolg der operativen Wirtschaft hängt entscheidend von Langfriststrategien ab.

 

InteressenTableau der Einwanderung

Gewinner

Verlierer

Feld 1:
Einwanderer

Feld 2:
Steuerzahler; Erwerbstätige

Feld 3:
Finanzwirtschaft

Feld 4:
Produzierende Wirtschaft

Feld 5:
Multikulturelle Interessenten

Feld 6:
Bevölkerung insgesamt

                                                                                                                            MacroAnalyst

 

Welche weiteren Felder lassen sich der Matrix hinzufügen? Gehört in Feld 5 der weitere Abbau nationaler und der Aufbau multikultureller Identität - welche Interessengruppe wäre dann hier einzutragen?

In Feld 6 gehört das zusammenfassende Interesse der Bevölkerung insgesamt. Die Feststellung in der niederländischen Studie - "Many inhabitants of the Netherlands think that the country is getting more crowded, polluted and monotonous than it used to be. They perceive this to be a decline in their well being and environment" (S. 85) - gilt auch für die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung.
 

 

(B)   Einwanderungspolitik findet nicht statt

Einwanderung verläuft zum größeren Teil spontan, zum geringeren Teil aufgrund von Einzelfallregelungen.
Aussengesteuerte Wanderungen sind z. B.: Asylsuche, Kriegsflucht, Ökoflucht.
Binnengesteuerte Wanderungen folgen maßgeblich wirtschaftlichen Unternehmensinteressen (Green Card z. B.).
Wie groß ist das Verhältnis der außen- zur binnengesteuerten Wanderung?

Welche Antwort verlangen die aufgedeckten Arbeitsmarktprobleme? Das Beschäftigungssystem scheint schon jetzt außer Kontrolle zu geraten. Sind die Perspektiven so, dass dies alles unsteuerbar wird?
Wo liegt eine Nachhaltige Bevölkerungsdichte?

Als zusätzliche Komplikation kommt jetzt die Ausweitung der Aktionsräume ins Spiel:
Was in herkömmlichen Nationalstaaten als Einwanderung zu bezeichnen war, schrumpft in größer werdenden Räumen (EU) zur bloß regionalen Wanderung.  Die Ost-Erweiterung der EU z. B. wird weitere gravierende Probleme für den deutschen/westeuropäischen (dann: Teil-) Arbeitsmarkt mit sich bringen. Eine Erweiterung der EU um den nichteuropäischen Staat Türkei würde dem Arbeitsmarkt jede Steuerungskontur nehmen.

Volkswirtschaftliche Kostenrechnungen zur Beurteilung des Nutzens dieser Verhältniszahl werden nicht herangezogen. Es erfolgt keine politische und gesellschaftspolitische Gesamtschau.

Trotz der negativen volkswirtschaftlichen Gesamtbilanz sind die ökonomischen Anreize für Einwanderer nach wie vor hoch:
o   schon im Einkommens- und Sozialbereich (die zitierte NL-Studie hat dies belegt);
o   aber die Nutzung volkswirtschaftlicher öffentlicher Vermögen zu äußerst günstigen Bedingungen (z. T. Nulltarif) kommt hinzu. Der Gesichtspunkt der Überreichung eines virtuellen Schecks bei Einreise findet allerdings kein öffentliches Interesse.

Deutschland hat bisher über eine ganz außerordentliche internationale Wettbewerbsfähigkeit verfügt.  Die Bürde der Nichtbeschäftigung jedoch schnürt dem Lande zunehmend die Luft zum Atmen ab. Es bedarf nicht der Übertreibungen der ein oder anderen Kommission, um zu sehen, dass das im produktiven Bereich schwer verdiente Geld nicht beliebig unter einem immer größer werdenden und nicht abgegrenzten Kreis von Außenstehenden gestreut werden kann.

In unserer - thematisch eng begrenzten Arbeit - sollen andere Politikhebel nicht diskutiert werden. Die niedrige Geburtenhäufigkeit gerät hier ins Blickfeld. Interessant ist, dass sich weder die Rürup- noch die Herzog-Kommission mit diesem Problem beschäftigt haben.

Innerhalb unseres Rahmens steht die Steuerung der Einwanderung im Zentrum. Der jahrzehntelange Widerspruch zwischen der Etikettierung, Deutschland sei kein Einwanderungsland, und der parallel dazu tatsächlich hochlaufenden Zuwanderung bedarf der Auflösung. Diejenigen Demographen, die die Knappheitsgesetze der Ökonomie ignorieren, glauben gleichwohl, diesen Widerspruch noch folgenlos weiter ausbauen zu dürfen.   

 

(C)   Welchen Typ von Einwanderung braucht Deutschland und die EU?

(I)   Modell "Massenwanderung"

Wenig wahrscheinlich ist, dass die Option einer Zuwanderung nach heutigem Muster in einem überschaubaren Zeitraum zu einer Steigerung des ökonomischen Gesamtinteresses führen wird.
Die jahrzehntelange und tendenziell weiter zunehmende Verletzung des Ziels der Vollbeschäftigung, die Notwendigkeit einer präventiven Steuerung einer nachhaltigen Bevölkerungsdichte verlangen eine aktive Einwanderungspolitik.

Das Modell einer ungesteuerten Massenzuwanderung liegt nicht im Interesse der ansässigen Bevölkerung. Dabei geht es keineswegs um das Begriffspaar "deutsch" und "nicht-deutsch". Alle in Jahrzehnten Eingebürgerten sowie die hier dauerhaft lebenden Ausländer werden gleichermaßen von diesem weiteren Zuzug betroffen. Die Kanäle für echtes Asyl z. B. werden immer mehr verstopft.

Selbst wenn die Demographen recht hätten, dann kann sich verantwortliche Beschäftigungspolitik nicht schon heute auf Ergebnisse in 2050, selbst nicht auf die in 2011 fixieren lassen und die Arbeitsmärkte jetzt fluten. Die vorhandenen hohen Überkapazitäten reichen angesichts der absehbaren Wachstums- und  Produktivitätstrends noch lange Zeit für die Bedienung der Nachfrage nach Arbeitskräften aus.

Würden sich die absehbaren Bedingungen überraschend ändern und Deutschland der Vollbeschäftigung wieder nahe kommen, dann könnte zu diesem Zeitpunkt auch Einwanderung neu diskutiert werden. Zuwanderung nach heutigem Muster lässt sich in jedem Fall kurzfristig in Gang setzen. Bis zu diesem Zeitpunkt wären dann aber keine knappen Bildungsressourcen aufzuwenden.
Die Entwicklung der Weltbevölkerung legt nahe, dass diese Aussage an Gültigkeit weiter gewinnen wird.

Weitere Zuwanderung vom Typ niedriges Qualifikationsprofil stärkt nicht den Standort Deutschland/ Europäische Union - sie schafft mehr Probleme als sie löst . 

 

(II)  Modell "Professionelle Wanderung"

Das Massenmodell wäre zu überführen in ein Modell von professioneller Wanderung.

Dieses Modell zielt auf ökonomische und ökologische Optimierung, statt auf demographische Rechnungen.

Für alle hoch entwickelten Industriestaaten gilt, dass ihre Ökonomien zwar keineswegs nur auf Hochtechnologien basieren, diese aber eben doch einen signifikanten Anteil am Sozialprodukt ausmachen. Je komplexere Prozesse eine Volkswirtschaft beherrscht, um so profitablere Umsätze kann sie an den Weltmärkten tätigen. Je breiter diese Aufwärtsentwicklung zur Hochtechnologie angelegt wird, um so mehr Hochqualifizierte und Qualifizierte  werden benötigt. Umgekehrt gilt: Je höher der Anteil an Hochqualifizierten und Qualifizierten, um so größer die Chance, Produkte  und Prozesse zu entwickeln, die innovativ sind und sich deshalb in der internationalen Konkurrenz durchsetzen.

Umgekehrt gilt der Zusammenhang: Je höher der Anteil einfacher Qualifizierungen, um so geringer ist Entwicklungsgrad und Wohlstand einer Ökonomie. Dass sich diese simplen Grundgedanken in der deutschen Einwanderungsdebatte bisher nicht durchsetzen konnten, wäre interessenpolitisch zu hinterfragen.

Qualitativ hochwertige Einwanderung mit allem Nachdruck zu fördern,  bringt die Chance für Innovation und Kreativität, kurz für dynamische Produktivität - die Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit. Hier liegen die Quellen für die Entwicklung eines Sozialprodukts, das auch Unterstützungszahlungen für das gesamte Nicht-Beschäftigungssegment bereitstellen kann, wie immer dieses eingeteilt sein mag.

Für Deutschland wie für die EU ist deshalb richtig, klare Regeln für die Einwanderung zu schaffen.  Einwanderung ist tendenziell nach ökonomische Anforderungen zu regeln. Zuwanderung ist an Kriterien zu binden.
 

Kasten
Neuseeland zum Beispiel ...

... hat klare Vorstellungen von Einwanderung und gibt deshalb strikte Regeln vor.

“New Zealand welcomes new migrants – people who will contribute to our country by bringing skills or qualifications, setting up a business, or making a financial investment”. … “We consider that migrants have a valuable contribution to make as part of our society, and in helping us to develop and strengthen our relationship with other parts of the world”. … “Every person who wishes to migrate to NZ needs to apply for residence”. … “The Minister of Immigration sets Government residence policy. The New Zealand Immigration Service .. is not allowed to make exceptions”.

Bei den Bewerbungskategorien werden “qualifications, work experience, age”, aber auch die mitgebrachten “investment funds” positiv bewertet.

Mehr noch: „You and your accompanying family must be of an acceptable standard of health, whichever category you apply under. You are required to undergo medical examinations”.

Schließlich sogar: „You and your accompanying family members must be of good character;...In order to prove that ... you are required to provide police certificates ..."
 

Zur Erinnerung: Bevölkerungsdichte in NZ = 14 Einwohner pro km²;  in D = 230

 

Quelle:
New Zealand Immigration Service – Self-Assessment Guide for Residence in New Zealand; Sept. 2003
;  Auszüge                                                                                                                 MacroAnalyst

 

Dass innerhalb der wirtschaftlich gesteuerten Einwanderung, Kontingente für zeitweilige Zuwanderung aus humanitären Gründen bereitzustellen sind, folgt unantastbaren Regeln. Auch richtig ist, dass Deutschland bei der Übernahme solcher Lasten bereits große Vorleistungen erbracht hat.

Die Einwanderung von Professionellen führt nicht nur zu einem Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit. Es gilt auch, was für den internationalen wissenschaftlichen Austausch formuliert worden ist, er führt auch "zur Erweiterung des Horizontes und zu mehr Weltoffenheit der Gesellschaft"  (Bulmahn).

 

(III) Alternativen

Diese Form von Einwanderung  ist aber begrenzt. Bezeichnenderweise hat die Green-Card-Initivative nur 14.500 ausländische IT-Spezialisten bis Mai 2003 erbracht, bei ursprünglich 20.000 anvisierten. Gleichzeitig lassen beispielsweise die USA in Deutschland eine breit angelegte Werbekampagne "GreenCard" laufen. Andere Länder werben desgleichen. Die Vorlage einer Nettobilanz "GreenCard" steht noch aus.

Alle hochindustriellen Gesellschaften altern, Japan, USA, Italien. Die USA haben vor Deutschland die Vorteilhaftigkeit dieses Einwanderungstyps begriffen.
Wirtschaftlich ist er vorteilhaft, weil die Vorleistungen, die Bildungsinvestitionen, von anderen Nationen geleistet worden sind: brain drain. Die Erträge dieser Investitionen fließen nun dem Importeur dieser Ressourcen zu. Was in Zeiten des Nationalstaates nur als degoutant erscheinen konnte, etabliert sich nunmehr als gängiges globales Muster. Ist dies eine Facette der "Produktivitätsinseln in der Wüste"?

Weil diese Strategie begrenzt ist, bleibt wichtigster Ansatz, Produktivität selbst zu entfalten. Bildung, Qualifikation, Investitionen in human capital - nur die Nationen und wirtschaftlichen Großräume, die hier vorne liegen,  können das Produktivitätsrennen gewinnen.
Bei diesem Langfrist-Ansatz stoßen die Entwickler aber auf ein immer stärkeres Hemmnis. Advanced Financial Capital gewinnt tendenziell an wirtschaftlichem und deshalb politischen Einfluss gegenüber dem Produktionssektor.  Die Interessen des Finanzsektors jedoch sind kurzfristig ausgerichtet. Langfrist-Ansätze geraten deshalb immer weiter in den Hintergrund der Wirtschaftspolitik.

Ausschlaggebend im internationalen Produktivitätsrennen werden also die Räume sein, denen es gelingt, entgegen der Interessen der Finanzwelt makroökonomische Langfristinteressen zu verfolgen und die Budgets dafür zu finanzieren.

Richtig ist also: "Damit Deutschland im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe mithalten kann, müssen wir attraktive Bedingungen schaffen" (Bulmahn).

Diese Erkenntnis ist - zu recht - auf breite Akzeptanz gestoßen.
Dabei wird allerdings bedauerlicherweise Naheliegendes übersehen. Der heute vorherrschende Typ der Einwanderung trägt ja gerade mit dazu bei, dass es immer schwieriger wird, die geforderten attraktiven Bedingungen zu schaffen. Die öffentlichen Finanzen unterliegen schweren Belastungen auch und gerade wegen zu erbringender Integrationsleistungen; die dichtere Besiedlung ist ein Konkurrenznachteil gegenüber Ländern mit weiten Räumen (die Attraktivität der USA z. B. hat hier eine wesentliche Ursache).

Die Belastungen aus dem Massen-Modell erweisen sich als Blockade für das Profi-Modell. Die knappen Ressourcen lassen sich nur einmal verausgaben: Die Wahl zwischen beiden Modellen ist auch aus dieser Perspektive heraus zwingend. Investitionspolitik bedeutet prinzipiell, also auch auf diesem Gebiet, die knappen Mittel für die produktivere Strategie zu reservieren.

Als zweiter Ansatz kommt hinzu, dass die demographische Entwicklung eine Antwort auf die niedrige Geburtenkennziffer erfordert. Erstaunlich ist, dass sowohl die Rürup- als die Herzog-Kommission sich dieses Themas nicht angenommen haben. Hier wäre nachzuarbeiten.

 

Fazit

Die heutige Form von Zuwanderung genügt weder ökonomischen noch ökologischen Anforderungen. Sie überfordert den Arbeitsmarkt. Sie überbelastet die öffentlichen Finanzen und zerstört das System der Sozialen Sicherung. Sie verdichtet den Raum über das bereits existierende hohe Maß hinaus.

Wenn häufig als überlagerndes Argument angeführt wird, die deutsche Wirtschaft brauche aber eine höhere Zahl an Verbrauchern, so trifft dies nicht zu. Die bloße Anwesenheit von Menschen in einem Wirtschaftsraum sagt nichts über die Wirtschaftskraft dieses Raumes aus . Das zeigen gerade die Länder, aus denen die heutigen Einwanderer kommen. Für die Wirtschaftskraft entscheidend ist vielmehr Zahl und Qualität der Erwerbstätigen - und ob diese sich mit einem komplexen Kapitalstock kombinieren lassen. Es geht nicht um die Maximierung des Sozialprodukts pro Quadratkilometer, sondern pro Kopf. Es geht um den Zugang zum Arbeitsmarkt, und der steht nur noch professionellen Arbeitskräften offen.

Im übrigen wächst die Wirtschaft unseren Annahmen zufolge im Prognosezeitraum spürbar. Das Pro-Kopf-Einkommen je Erwerbstätigen steigt von heute 51.290 Euro pro Jahr auf 127.273 Euro in 2050. Pro Kopf der Bevölkerung ist es allerdings um so niedriger, je höher die Nettowanderung angesetzt wird.

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