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Konsequenz:
(A) Welche Interessen? Einwanderung ist ein Feld, auf dem in auffälliger Weise Fakten ignoriert werden. Warum werden bei diesem doch für die Wohlfahrt der ansässigen Bevölkerung so entscheidenden Thema so reichlich irreführende Szenarios vorgetragen? Welche Interessen sind im Spiel? Der niederländischen Studie zufolge können folgende Interessen
identifiziert werden: Konstellation 2 und 3 lassen sich so verbinden: "Consequently, the
authorities in the NL, like other West-EU countries, are facing continuous
pressure from potential immigrants supported by interested parties at home,
such as employers, to "open the door to immigrants". Wir wollen diese Interessen-Konstellationen in eine Matrix eintragen und einheitlich nach Gewinnern und Verlierern ordnen. Dazu spalten wir als erstes 3 auf in Feld 3 = "Finanzwirtschaft" und Feld 4 = "Produzierende Wirtschaft". Für Feld 3 gilt das oben gesagte. Je kürzer der Interessenhorizont, um so eher können alle negativen Folgen dieser Strategie negiert werden. Konsequenterweise kann dies dann aber kaum Gültigkeit für Feld 4 haben; denn: der Erfolg der operativen Wirtschaft hängt entscheidend von Langfriststrategien ab.
Welche weiteren Felder lassen sich der Matrix hinzufügen? Gehört in Feld 5 der weitere Abbau nationaler und der Aufbau multikultureller Identität - welche Interessengruppe wäre dann hier einzutragen? In Feld 6 gehört das zusammenfassende Interesse der
Bevölkerung insgesamt. Die Feststellung in der niederländischen Studie - "Many inhabitants of the Netherlands think that the country
is getting more crowded, polluted and monotonous than it used to be. They
perceive this to be a decline in their well being and environment" (S. 85) -
gilt auch für die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung.
(B) Einwanderungspolitik findet nicht statt Einwanderung verläuft zum größeren Teil spontan, zum
geringeren Teil aufgrund von Einzelfallregelungen. Welche Antwort verlangen die aufgedeckten
Arbeitsmarktprobleme? Das Beschäftigungssystem scheint schon jetzt außer Kontrolle zu geraten.
Sind die Perspektiven so, dass dies alles unsteuerbar wird?
Als zusätzliche Komplikation kommt jetzt die Ausweitung
der Aktionsräume ins Spiel: Volkswirtschaftliche Kostenrechnungen zur Beurteilung des
Nutzens dieser Verhältniszahl werden nicht herangezogen. Es erfolgt keine politische und gesellschaftspolitische Gesamtschau. Deutschland hat bisher über eine ganz außerordentliche internationale Wettbewerbsfähigkeit verfügt. Die Bürde der Nichtbeschäftigung jedoch schnürt dem Lande zunehmend die Luft zum Atmen ab. Es bedarf nicht der Übertreibungen der ein oder anderen Kommission, um zu sehen, dass das im produktiven Bereich schwer verdiente Geld nicht beliebig unter einem immer größer werdenden und nicht abgegrenzten Kreis von Außenstehenden gestreut werden kann. In unserer - thematisch eng begrenzten Arbeit - sollen andere Politikhebel nicht diskutiert werden. Die niedrige Geburtenhäufigkeit gerät hier ins Blickfeld. Interessant ist, dass sich weder die Rürup- noch die Herzog-Kommission mit diesem Problem beschäftigt haben. Innerhalb unseres Rahmens steht die Steuerung der Einwanderung im Zentrum. Der jahrzehntelange Widerspruch zwischen der Etikettierung, Deutschland sei kein Einwanderungsland, und der parallel dazu tatsächlich hochlaufenden Zuwanderung bedarf der Auflösung. Diejenigen Demographen, die die Knappheitsgesetze der Ökonomie ignorieren, glauben gleichwohl, diesen Widerspruch noch folgenlos weiter ausbauen zu dürfen.
(C) Welchen Typ von Einwanderung braucht Deutschland und die EU? (I) Modell "Massenwanderung" Wenig wahrscheinlich ist, dass die Option einer Zuwanderung nach heutigem Muster
in einem überschaubaren Zeitraum zu einer Steigerung des ökonomischen
Gesamtinteresses führen wird. Das Modell einer ungesteuerten Massenzuwanderung liegt nicht im Interesse der ansässigen Bevölkerung. Dabei geht es keineswegs um das Begriffspaar "deutsch" und "nicht-deutsch". Alle in Jahrzehnten Eingebürgerten sowie die hier dauerhaft lebenden Ausländer werden gleichermaßen von diesem weiteren Zuzug betroffen. Die Kanäle für echtes Asyl z. B. werden immer mehr verstopft. Selbst wenn die Demographen recht hätten, dann kann sich verantwortliche Beschäftigungspolitik nicht schon heute auf Ergebnisse in 2050, selbst nicht auf die in 2011 fixieren lassen und die Arbeitsmärkte jetzt fluten. Die vorhandenen hohen Überkapazitäten reichen angesichts der absehbaren Wachstums- und Produktivitätstrends noch lange Zeit für die Bedienung der Nachfrage nach Arbeitskräften aus. Würden sich die absehbaren Bedingungen überraschend ändern
und Deutschland der Vollbeschäftigung wieder nahe kommen, dann könnte zu
diesem Zeitpunkt auch Einwanderung neu diskutiert werden. Zuwanderung nach
heutigem Muster lässt sich in jedem Fall kurzfristig in Gang setzen.
Bis zu diesem Zeitpunkt wären dann aber keine knappen Bildungsressourcen
aufzuwenden. Weitere Zuwanderung vom Typ niedriges Qualifikationsprofil stärkt nicht den Standort Deutschland/ Europäische Union - sie schafft mehr Probleme als sie löst .
(II) Modell "Professionelle Wanderung" Das Massenmodell wäre zu überführen in ein Modell von professioneller Wanderung. Dieses Modell zielt auf ökonomische und ökologische Optimierung, statt auf demographische Rechnungen. Für alle hoch entwickelten Industriestaaten gilt, dass ihre Ökonomien zwar keineswegs nur auf Hochtechnologien basieren, diese aber eben doch einen signifikanten Anteil am Sozialprodukt ausmachen. Je komplexere Prozesse eine Volkswirtschaft beherrscht, um so profitablere Umsätze kann sie an den Weltmärkten tätigen. Je breiter diese Aufwärtsentwicklung zur Hochtechnologie angelegt wird, um so mehr Hochqualifizierte und Qualifizierte werden benötigt. Umgekehrt gilt: Je höher der Anteil an Hochqualifizierten und Qualifizierten, um so größer die Chance, Produkte und Prozesse zu entwickeln, die innovativ sind und sich deshalb in der internationalen Konkurrenz durchsetzen. Umgekehrt gilt der Zusammenhang: Je höher der Anteil einfacher Qualifizierungen, um so geringer ist Entwicklungsgrad und Wohlstand einer Ökonomie. Dass sich diese simplen Grundgedanken in der deutschen Einwanderungsdebatte bisher nicht durchsetzen konnten, wäre interessenpolitisch zu hinterfragen. Qualitativ hochwertige Einwanderung mit allem Nachdruck zu fördern, bringt die Chance für Innovation und Kreativität, kurz für dynamische Produktivität - die Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit. Hier liegen die Quellen für die Entwicklung eines Sozialprodukts, das auch Unterstützungszahlungen für das gesamte Nicht-Beschäftigungssegment bereitstellen kann, wie immer dieses eingeteilt sein mag. Für Deutschland wie für die EU ist deshalb richtig, klare Regeln
für die Einwanderung zu schaffen. Einwanderung ist tendenziell nach
ökonomische Anforderungen zu regeln. Zuwanderung ist an Kriterien zu
binden.
Dass innerhalb der wirtschaftlich gesteuerten Einwanderung, Kontingente für zeitweilige Zuwanderung aus humanitären Gründen bereitzustellen sind, folgt unantastbaren Regeln. Auch richtig ist, dass Deutschland bei der Übernahme solcher Lasten bereits große Vorleistungen erbracht hat. Die Einwanderung von Professionellen führt nicht nur zu einem Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit. Es gilt auch, was für den internationalen wissenschaftlichen Austausch formuliert worden ist, er führt auch "zur Erweiterung des Horizontes und zu mehr Weltoffenheit der Gesellschaft" (Bulmahn).
(III) Alternativen Diese Form von Einwanderung ist aber begrenzt. Bezeichnenderweise hat die Green-Card-Initivative nur 14.500 ausländische IT-Spezialisten bis Mai 2003 erbracht, bei ursprünglich 20.000 anvisierten. Gleichzeitig lassen beispielsweise die USA in Deutschland eine breit angelegte Werbekampagne "GreenCard" laufen. Andere Länder werben desgleichen. Die Vorlage einer Nettobilanz "GreenCard" steht noch aus. Alle hochindustriellen Gesellschaften
altern, Japan, USA, Italien. Die USA haben vor Deutschland die
Vorteilhaftigkeit dieses Einwanderungstyps begriffen. Weil diese Strategie begrenzt ist, bleibt wichtigster Ansatz,
Produktivität selbst zu entfalten. Bildung, Qualifikation, Investitionen in
human capital - nur die Nationen und wirtschaftlichen Großräume, die hier vorne
liegen, können das Produktivitätsrennen
gewinnen. Ausschlaggebend im internationalen Produktivitätsrennen werden also die Räume sein, denen es gelingt, entgegen der Interessen der Finanzwelt makroökonomische Langfristinteressen zu verfolgen und die Budgets dafür zu finanzieren. Richtig ist also: "Damit Deutschland im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe mithalten kann, müssen wir attraktive Bedingungen schaffen" (Bulmahn). Diese Erkenntnis ist - zu recht - auf breite Akzeptanz
gestoßen. Die Belastungen aus dem Massen-Modell erweisen sich als Blockade für das Profi-Modell. Die knappen Ressourcen lassen sich nur einmal verausgaben: Die Wahl zwischen beiden Modellen ist auch aus dieser Perspektive heraus zwingend. Investitionspolitik bedeutet prinzipiell, also auch auf diesem Gebiet, die knappen Mittel für die produktivere Strategie zu reservieren. Als zweiter Ansatz kommt hinzu, dass die demographische Entwicklung eine Antwort auf die niedrige Geburtenkennziffer erfordert. Erstaunlich ist, dass sowohl die Rürup- als die Herzog-Kommission sich dieses Themas nicht angenommen haben. Hier wäre nachzuarbeiten.
Fazit Die heutige Form von Zuwanderung genügt weder ökonomischen noch ökologischen Anforderungen. Sie überfordert den Arbeitsmarkt. Sie überbelastet die öffentlichen Finanzen und zerstört das System der Sozialen Sicherung. Sie verdichtet den Raum über das bereits existierende hohe Maß hinaus. Wenn häufig als überlagerndes Argument angeführt wird, die deutsche Wirtschaft brauche aber eine höhere Zahl an Verbrauchern, so trifft dies nicht zu. Die bloße Anwesenheit von Menschen in einem Wirtschaftsraum sagt nichts über die Wirtschaftskraft dieses Raumes aus . Das zeigen gerade die Länder, aus denen die heutigen Einwanderer kommen. Für die Wirtschaftskraft entscheidend ist vielmehr Zahl und Qualität der Erwerbstätigen - und ob diese sich mit einem komplexen Kapitalstock kombinieren lassen. Es geht nicht um die Maximierung des Sozialprodukts pro Quadratkilometer, sondern pro Kopf. Es geht um den Zugang zum Arbeitsmarkt, und der steht nur noch professionellen Arbeitskräften offen. Im übrigen wächst die Wirtschaft unseren Annahmen zufolge im Prognosezeitraum spürbar. Das Pro-Kopf-Einkommen je Erwerbstätigen steigt von heute 51.290 Euro pro Jahr auf 127.273 Euro in 2050. Pro Kopf der Bevölkerung ist es allerdings um so niedriger, je höher die Nettowanderung angesetzt wird. |