Trendanalyse 03:

Die Debatte um eine sog. Verfassung –
Kernbestandteile einer demokratischen Verfassung

Kurzfassung
 

Die Debatte um die sogenannte Verfassung der EU hat das Demokratiedefizit der EU offengelegt. Wie könnte eine demokratische Alternative zu diesem Vertragswerk aussehen?

Die Skizze des weiteren Wegs - sechs Artikel als KernVerfassung

(1)   Europa braucht ein neues Projekt  - die Vison ist noch lebendig 

Auf europäischer Ebene muss ein europäisches Auffangbecken für die nationale Machtabgabe etabliert werden. Andernfalls führt die Entmächtigung der Mitgliedstaaten zu einem Nettomachtverlust Europas. Entweder Europa formiert sich neu oder es löst sich im System von Global Governance auf. 

Zwar ist die Grundidee des europäischen Zusammenschlusses durch die jahrzehntelange Fehlentwicklung gründlich diskreditiert worden – auch das Konzept einer Föderation. Es gibt dazu aber keine Alternative.
Stillstand jedenfalls gibt es nicht. Europa ist immer in Bewegung, entweder in die eine oder in die andere Richtung.

(2)   Eine demokratische Formierung ist innerhalb der EU aber nicht möglich

Sicher ist, dass eine demokratische Neuformierung von Europa innerhalb der Strukturen der heutigen EU nicht möglich ist. Alle Mitgliedsstaaten müssten einer neuen, demokratischen Verfassung zustimmen. Es genügt das Nein eines einzigen Landes, um einen solchen Vorschlag zu Fall zu bringen. Dieses findet sich bei diesem Vorhaben immer.

Deutschland übernimmt die europäische Ratpräsidentschaft am 1. Januar 2007.

Es wäre zu wenig, würde es dabei lediglich den Diskussionsstand zusammentragen und die möglichen Entwicklungen daraus ableiten. Deutschland darf in diesem Prozess nicht bloßer Moderator, es muss Promoter sein.

Die Großen Koalition muss zweigleisig fahren.
In die Ratspräsidentschaft muss sie mit einer klaren Interessenposition hineingehen.

(3)   Die Neuformierung ist aber außerhalb der EU anzustoßen

Die eigentliche Aufgabe liegt außerhalb der formalen EU-Strukturen.

Die Große Koalition muss parallel zur EU-Präsidentschaft eine Initiatorengruppe mit Vertretern williger europäischer Staaten einladen. Deren Auftrag ist die Erarbeitung einer Kernverfassung.

An diesem Punkt schauen alle auf den deutsch-französischen Motor. Unübersehbar ist aber, dass gerade in Deutschland ein prominenter Machtpromoter fehlt.

Hier sind die Kanzlerin und der Außenminister besonders gefordert. Sie müssen den deutschen Zylinder im Motor wieder in Gang bringen.

Falsch wäre aber ohnehin, sich nur auf Deutschland und Frankreich zu beschränken. Es gibt auch in anderen Ländern überzeugte Europäer.

Auf keinen Fall dürfen destruktiven Kräfte in das Arbeitsteam eingebunden werden, die in der Vergangenheit jede Form von Föderation hintertrieben haben. 

(4)   Sechs Artikel als neue KernVerfassung für Europa

Auf europäischer Ebene muss deshalb eine neue handlungsfähige und demokratische  staatliche Struktur etabliert werden. Deren Eckpunkte lassen sich in
sechs Kern-Artikeln zusammenfassen:

Kern-Artikel 1:   Die Volkssouveränität muss der Mittelpunkt der Verfassung und der Anker der Staatsstruktur sein. Art. 20 des Grundgesetzes gehört auch in eine europäische Verfassung.

Kern-Artikel 2:   Die Rückgewinnung der Volkssouveränität ist mit dem Übergang vom heutigen Staatenverbund hin zur Parlamentarisierung in einer Europäischen Föderation zu verbinden.

Kern-Artikel 3:   Das Parlament ist als Erste Kammer zu etablieren. Es hat die gesetzgebende Gewalt innerhalb der Föderation. Diese erste Kammer repräsentiert die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar.

Kern-Artikel 4:   Eine doppelte Gewaltenteilung erfordert die Weiterführung des Europäischen Rats und des Ministerrats als zweite Kammer. Sie ist Gegengewicht zu den Verfassungsorganen EU Parlament und Regierung. Sie vertritt die Bürgerinnen und Bürger mittelbar.

Kern-Artikel 5:   Die Volkssouveränität verlangt schließlich die Umwandlung der heutigen EU-Kommission in eine demokratisch gewählte Regierung.

(5)  Kern-Artikel 6:   Wer tritt bei?

Ist die KernVerfassung fertig gestellt, ist das Beitrittsverfahren zur neuen KernUnion übersichtlich:
Wer von den Mitgliedsstaaten der heutigen EU_25 die Kernverfassung unterzeichnet, ist Mitglied.
Alle entscheiden selbst, ob sie diesen Schritt tun oder nicht. 

(6)   Die bisherige EU braucht ein auch neues Kleid

Die existierende Europäische Union wird weitergeführt.
Es gehören ihr weiter alle Mitgliedsstaaten der heutigen EU_25 an, die die KernVerfassung nicht unterzeichnen. Die Kern-Union wird ebenfalls Mitglied.
Die Europäische Union selbst braucht ein neues Steuerungskonzept. European Governance muss die Funktionsfähigkeit wieder herstellen und die neuen Gegebenheiten verarbeiten. 

(7)   Europa ist konstitutionell neu zu gründen

Es bedarf einer handlungsfähigen und demokratischen Staatsstruktur, um Europa eine angemessene Position in der Welt zu sichern. 

Es ist gerade einmal 200 Jahre her, dass die Bürgerinnen und Bürger Frankreichs ihr Leben geben mussten, um die demokratischen Freiheiten zu erkämpfen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass diese jetzt wieder beseitigt werden – ganz still und ganz leise.

Quelle: MacroAnalyst.de