Trendanalyse 14
Ein
Modell der Europäischen Transferunion
Angriff auf die
europäischen Vermögen
und Endkampf um die Staatsgewalt

Quelle:
MacroAnalyst.de
Der laufende komplexe Umbau
Europas ist schwer auf den Punkt zu bringen. Man liest sogar die Vermutung
einer sozialistischen Attacke. Die Grafik zeigt den Fluss der wesentlichen
Nettozahlungsströme, um Licht in das diffizile Chaos zu bringen.
Pfeil 1: Der
Krisenzyklus wird damit eingeleitet, dass Investmentbanken (Global Financial
Capital – GFC) exzessive Kredite an Staaten der Peripherie vergeben (gut
belegt durch die New York Times,
> Trendanalyse 05 auf MacroAnalyst.de).
Finanziert werden diese durch außergewöhnlich billiges Geld von
Zentralbanken („money for nothing“). Deswegen erbringen sie gute Renditen.
Spitzenpolitiker der nationalen Regierungen kooperieren gegen übliche
Belohnung (Politik-Karrieren, Aufsichtsratssitze, Geld). Die Wähler
partizipieren anfangs.
Bei Erreichen der
Krisenschwelle zeichnet sich die Zahlungsunfähigkeit für die
Schuldnerstaaten ab. Die Banken sehen ihre Felle davon schwimmen. GFC droht
mit einer Weltfinanzkrise.
Governance wird konkret in
der Form einer Dreier-Gruppierung aktiv: Der Europäischen Zentralbank (EZB),
des Internationalen Währungsfonds (IWF), der EU.
Pfeil 2: Die
EZB wird zur größten Bad Bank Europas
EZB versorgt Peripherie mit
frischem Geld. Zur Absicherung ihrer Kredite nimmt sie von Banken und
Krisenstaaten sogar Papiere entgegen, die die Märkte dringend los werden
wollen (sog. junk, Schrottpapiere, die an keiner
Börse gehandelt werden). Die EZB nimmt diese Papiere
zu Mondpreisen
herein.
Es geht um gewaltige Dimensionen, um
mehrere hundert Milliarden Euro. Diese
Finanzierung bedeutet Geldschöpfung im großen Stil. Eine seit der großen
Depression unter keinen Umständen akzeptable rote Linie wird überschritten.
Gelddruck zum Zwecke der Finanzierung von Staatsverschuldung - ohne jegliche
operative Gegenbuchung. Das führt in jedem Fall zur Geldentwertung, in
welcher Form und wann immer die an die Oberfläche dringen wird.
Pfeil 3: Der IWF
beteiligt sich am Unterstützungspaket für Griechenland und die anderen
Krisenländer.
Finanzierung: Der IWF verfügt heute noch nicht über autonome Geldquellen,
noch ist er keine Zentralbank. Die Zahlungen an die Peripherie stammen
deshalb aus Beiträgen der Mitgliedsländer (also der Steuerzahler).
Pfeil 4: Die bis dahin
existierende Euro-Zone wird zu einem
Europäischen Währungsfonds (EWF) umgebaut.
Das Grundkonzept wird im Februar 2010 vom
Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, und Daniel Gros, Direktor
der Brüsseler Denkfabrik Centre for European Policy Studies (CEPS),
vorgestellt. Es wird von der
Deutschen Bank direkt an das Finanzministerium weitergeleitet und von BM
Schäuble umgehend in Brüssel vertreten. Im Mai 2010 wird der Dammbruch in
Brüssel beschlossen, der EFSF (European Financial Stability Facility). Schon
im Juli 2011 folgt eine wesentliche Erweiterung, nämlich der ESM, der
Europäische Stabilitätsmechanismus, der ab 2013 gilt. Der französische
Präsident fasst die Entwicklung zutreffend unter dem Begriff „Europäischer
Währungsfonds“ zusammen. Zutreffend, weil Vorbild des EWF der Internationale
Währungsfonds ist und er sogar größere Kompetenzen als dieser erhält.
Der EWF wird mit bis dahin
unvorstellbaren Summen gespeist, um direkt Staatsanleihen von Krisenländern
aufzukaufen und um Bürgschaften für deren Kreditaufnahmen zu vergeben.
Finanzierung: Die
Hauptbelastung wird den Mitgliedsländern (also den Steuerzahlern)
aufgebürdet. Die Beteiligung der privaten Gläubiger, die ja die Verträge
über diese riskanten Geschäfte abgeschlossen haben, läuft hingegen nur auf
Kosmetik hinaus.
Gegenwärtig hat Deutschland
rd. 76 % der Jahres-Steuereinnahmen des Bundes für die Schulden anderer
Euro-Länder verbürgt (Kullas, CEP in
Freiburg). Da diese Verschuldung wegen fest eingebauter
Wettbewerbsschwächen (feste Wechselkurse in der Euro-Zone) niemals
rückzahlbar ist, drohen die daraus resultierenden Gesamtbelastungen die
deutschen Staatshaushalte auf unabsehbare Zeit auszuzehren.
Draufblick
Das in der Grafik gezeigte Modell spitzt es
zu:
Die primäre Kampflinie in diesem Konflikt verläuft nicht horizontal: Es geht
nicht so sehr um eine Auseinandersetzung zwischen Staaten – so wie das in
der alten Welt der Fall war. In der neuen Welt, der Globalisierung, verläuft
die Kampflinie vertikal.
Der Angriff kommt von oben, von Global Financial Capital. Bei der jetzigen
Operation geht es – nun schon zum dritten Mal in den letzten 10 Jahren - um
den weiteren Ausbau der sich scharf herausbildenden globalen
Machthierarchie.
Diese Machthierarchie wird doppelt geschärft:
Erstens wird die
globale Vermögenskonzentration weiter verdichtet.
Der Nettosaldo aller Aktivitäten
ergibt ein eindeutiges Bild: Die europäische Transferunion, das ist
lediglich die halbe Strecke, der regionale Teil (die
beiden Pfeile 4). Griechenland ist
nur ein Durchlauferhitzer. Der Transfer insgesamt läuft weiter.
Alle Zahlungsströme saldiert ergeben eine Stärkung der Bilanzen von GFC und
eine dementsprechende Schwächung des Vermögensstatus von Bürgerinnen und
Bürgern. Und letzteres vor allem in den wirtschaftsstarken Staaten; aber
eben auch die in der Peripherie. Und zwar bei allen Bürgern - über die
Mehrwertsteuern auch bei den untersten Einkommensschichten.
Zweitens wird die
Steuerung der Globalisierung, Governance, weiter verfestigt.
Das zieht den Abbau der Nationalstaaten nach sich. Hervor sticht, in welchem
Ausmaß die „Troika“ (IWF, EZB und Europäische Kommission)
in die Steuerung der Wirtschaftspolitik der
Peripherie eingreift. Aber auch im Zentrum wird der Staat abgebaut.
Gegenwärtig wird uns gerade die fiskalische Souveränität genommen.
Mit dem Abbau der Nationalstaaten wird die Demokratie beseitigt. Wir
befinden uns inmitten des Endkampfes um die Staatsgewalt. Government wird
durch Governance ersetzt
(> Trendanalysen 10 und
12 auf MacroAnalyst.de).
Der „ESM“ basiert auf einem völkerrechtlichen Vertrag. Die Transferunion ist
im horizontalen Bereich eine Art europäischer Finanzausgleich, ohne jede
demokratische Grundlage.
Der Europäische Rat steht unter Bankenkontrolle.
Nicht nur hat die
Deutsche Bank ursprünglich die Blaupause für den EWF über das
Finanzministerium in Brüssel eingespeist. Vielmehr war Josef Ackermann auf dem Sondergipfel am 21. Juli
2011 persönlich in dessen Durchsetzung involviert.
Zusammen mit Baudouin Prot, Vorstandschef der französischen Großbank BNP
Paribas, beriet er die europäischen Regierungen. „Das zeigt den Einfluss,
den die Banken in der Euro-Staatsschuldenkrise ausüben. Es gibt keinen
politischen Lösungsvorschlag, an dem die führenden Geschäfts- und
Investmentbanken nicht mitgewirkt haben“ (FAZ, 22. Juli 2011).
Der Bundestag läuft den Entwicklungen
müde und willig hinterher.
Das BundesVerfassungsGericht schaut den Veränderungen interessiert zu und
wird im Nachhinein das Rad kaum mehr zurückdrehen wollen.
Bürgerinnen und Bürger werden nicht mehr gefragt.
Der Häuserkampf um die Staatsgewalt hat begonnen.
Die
strategische Grundlinie
Es fällt auf, wie weit die
Hauptkampflinie bereits außer Blick geraten ist.
Die Nationen werden aufeinander losgelassen.
Griechische Medien: Die Deutschen sind hartherzig.
Deutsche Medien: Die Griechen sind faul.
Und schon sind die
falschen Frontlinien aufgebaut: Verkauft die Inseln.
Darüber wird dann die Auseinandersetzung geführt.
Die Rechten dafür, die Linken dagegen.
Oben schaut zufrieden zu. Zank unten lohnt sich.
So kann man die Leute leicht ablenken.
Entsprechend fallen die Lösungen aus:
Die Peripherie muss unterstützt werden - aus Eigennutz; Exportüberschüsse
erst erarbeiten, dann verschenken.
Die Peripherie muss unterstützt werden - aus Solidarität; welch eigenartige
Auslegung - Solidarität von Steuerzahlern mit Goldman Sachs?
Nur mit festem Blick
auf das Gesamtszenario ergibt sich das weitere Vorgehen. Die Hauptkampflinie
verläuft vertikal. Deswegen muss auch die Abwehr so organisiert werden.
Richtig vor allem ist:
Deutsche Bürgerinnen und Bürger müssen sich zu allererst gegen Governance
zur Wehr setzen. Gegen Kürzungen und Einschnitte aller Art, gegen Abbau der
Demokratie. Die griechischen desgleichen.
Richtig weiter ist: Die
Grundkonstruktion der bisherigen Euro-Zone – feste Wechselkurse für eine
inhomogene Länderauswahl - ist falsch. Das ist nicht machbar. Ein daraus
abgeleiteter Finanzausgleich ohne demokratische Basis richtet sich direkt
gegen unsere Interessen – ohne dass wir dann noch etwas dagegen tun können.
Eine Transferunion führt in die Irre, das liegt schon jetzt auf der Hand.
Für die Zukunft gilt das noch mehr. Die geplanten ständigen Ausuferungen der
EU, die damit einhergehende Ausdehnung der Euro-Zone auf immer inhomogenere
Volkswirtschaften wird schwere Wohlstandsverluste nach sich ziehen.
Es geht kein Weg geht
daran vorbei: Exit Euro-Zone. Aufbau eines homogenen und demokratischen Kerneuropas, das sich
wehrhaft gegen Global und European Governance verteidigen kann. Die
Demokratie hat nicht zu übersehende Schwachstellen, in der Tat. Aber: Es ist
das einzige bekannte politische System, das Bürgerinnen und Bürgern eine Plattform
bietet, überhaupt ihre Interessen einzubringen. Z. B. auch, einen solchen
Aberwitz zu verhindern.
Quelle: alle
Rechte bei: Dr. Karl H. Pitz - MacroAnalyst.de - 5. August
2011
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