Trendanalyse 16
Systemische Lösung in multipolarer Welt  

Kurzfassung

Abwehr der drohenden Fiskalunion
Europa als Föderation homogener Nordstaaten

Die Diskussion der europäischen Finanz- und Schuldenkrise hat sich bisher ganz auf die technische Lösung des Problems konzentriert:
- im Vordergrund stehen die europäischen Zusammenhänge, die globalen Machtebenen geraten kaum in den Blick.
- die Zeitachse ist verdeckt: Man erkennt weder die historische Entfaltung dieses Machtsystems, noch sieht man, wohin die systemische Entwicklung führen wird. 

Das Globale Finanzkapital ist dabei, den Nationalstaat durch ein globales Steuerungssystem abzulösen, nämlich „Governance“ - die Steuerung von oben nach unten. Der Staat soll durch den Markt ersetzt werden.

Rettungsmaßnahmen in nie gekannten Größenordnungen ändern an den Problemen nichts. Sie führen lediglich zu einer immer größeren Konzentration von Vermögen und Einkommen oben. Bürgerinnen und Bürger droht der vollständige Verlust ihrer kleinen Vermögen, ihrer Alterssicherung.

Zwei Kerne einer systemischen Lösung

Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger müssen wieder hergestellt werden. Im Wege der Renationalisierung geht das nicht. Es erfordert vielmehr die Durchsetzung zweier strategischer Kernelemente.

Kern-1:  Europa als eigenständiger Block in multipolarer Welt

Noch leben wir in einer multipolaren Welt: USA, Deutschland, Japan, China, Russische Föderation. Governance zufolge soll dies aber lediglich historischer Zwischenstand bleiben. Das eigentliche Ziel ist eine monopolare Weltmachtstruktur. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die Führung auf dem Wege zu einer

Weltwährung mit Weltzentralbank bereits übernommen. In einer monopolaren Welt würden die Bürger überhaupt nichts mehr zu sagen haben. Diese Monopolarität gilt es verhindern und die Multipolarität zu sichern.

Was bedeutet dies für den Pol Europa?

Die EU schwimmt im Geleitzug von Global Governance – sie ist European Governance. Die Eurozone als das wirtschaftliche Kraftfeld innerhalb der EU ist daher in dieses globale Machtfeld eingebettet. Sie weist überdies grundlegende Konstruktionsmängel auf. Die von Anfang an eingebaute Inhomogenität hat sie nun zum Zerreißen gespannt. Da die inhomogene Zusammensetzung durch noch so große Rettungspakete nicht zu beheben ist, ist der große Umbau dieser Währungszone unabweisbar. Die Eurozone muss sich aus der Verstrickung in Governance lösen. Überfällig ist der Zusammenschluss der homogenen Nordstaaten zu einem starken Block. Nur ein solches Kerneuropa kann als handlungsfähiger Player in der globalen Auseinandersetzung auftreten.

Kern-2:  Rückeroberung eines Europas der Bürgerinnen und Bürger

Die Folgen der letzten 50 Jahren: Rechte und Währung sind schon weg.
Jetzt soll sogar das Budgetrecht des Parlamentes folgen. Die Demokratie ist erschreckend entleert.

Die Demokratie ist die einzig bekannte politische Organisationsform, die überhaupt eine Vertretung der Interessen von Bürgerinnen und Bürgern zulässt. 

Wollen wir also ein Europa der Bürger, dann kann das keine verschwommene ‚Politische Union‘, es kann kein „Mehr Europa“ sein. Zur Verteidigung unserer Rechte und zur Wahrnehmung unserer Interessen muss Europa einen starken Pol darstellen. Einen solchen starken Bürger-Pol gibt es nur in demokratisch verfasster Form.

Die ‚Vereinigten Staaten von Europa‘ können dies nicht mehr sein. Die steile Hierarchie eines Bundesstaates hat sich für Europa erledigt.

Der Zusammenschluss homogener Nordstaaten kann nur in einer europäischen Föderation erfolgen:
-  flache Hierarchien
-  mehr Elemente direkter Demokratie
-  Sicherung der nationalen Souveränität durch verfassungsrechtlich  
   festgeschriebene Aufgabenteilung, um die schleichenden Transfers zu verhindern.


Die Verhinderung von Finanzkrisen

Die richtige strategische Anordnung erfordert erst den Bau einer neuen Machtbasis. Ohne andere Machtbasis keine Lösung.  Eine Finanztransaktionssteuer, eine Rückkehr zum Trennbankensystem, Reichensteuern, würden ohne systemische Veränderung weiterhin in der Luft hängen. Jedem Politiker ist deshalb das D-Wort abzuverlangen:
Welche Äußerung er auch immer zu Europa abgibt – er muss gefragt werden:
Wie stehst Du zur demokratischen Verfassung Europas?

Wirtschaftliche Verwerfungen werden wegen eines Umbaus befürchtet. Das Weiterwursteln aber wird uns sehr viel teurer zu stehen kommen. Die losgetretene Lawine erfordert bereits jetzt nie gekannte Summen. Die Lawine wird aber von Krise zu Krise ein größeres Vernichtungspotential entwickeln. Damit werden wir immer erpressbarer.

Weiter so, wie bisher? Kein weiterer Renditepunkt der Exportindustrie, kein BIP-Prozent, kein kleiner Depotgewinn ist es wert, dass wir am Ende in Armut landen – ohne Rechte!

 

Quelle:
alle Rechte bei

Dr. Karl H. Pitz
MacroAnalyst.de

Frankfurt am Main
November 2011